Die dauerhaft niedrigen Notenbankzinsen setzen immer mehr Geldhäuser unter Druck, mit Negativzinsen und Gebühren kreativ gegenzusteuern.
Von Wolfgang Ehrensberger (zum Artikel auf boerse-online.de)
Die Europäische Zentralbank (EZB) will ihre Leitzinsen noch lange niedrig halten, das hat der scheidende Notenbankchef Mario Draghi noch einmal deutlich gemacht. Eine Zinswende, wie sie vor allem in Deutschland gefordert wird, ist auf absehbare Zeit nicht zu erwarten. Das setzt insbesondere die Geldhäuser hierzulande weiter unter zusätzlichen Ertragsdruck – von hausgemachten Problemen und konjunkturellen Risiken ganz zu schweigen.
„Wir gehen davon aus, dass in den nächsten Monaten weitere Banken die Strafzinsen erhöhen und die Freibeträge für Strafzinsen senken werden“, sagte Sebastian Schick vom Verbraucherportal biallo.de gegenüber €uro am Sonntag. Von 1200 von biallo.de erfassten Instituten erheben demnach 131 Banken bereits Verwahrentgelte.
Darunter wiederum sind 35, die Strafzinsen von Privatkunden verlangen. Den kürzlich von minus 0,4 auf 0,5 gesenkten EZB-Einlagenzins haben auch größere Institute bereits an die Kundschaft weitergereicht, darunter die Berliner Sparkasse, die Berliner Volksbank und die Sparkasse Hannover. „Viele Geldhäuser prüfen derzeit eine Einführung von Negativzinsen für Privatkunden, warten aber noch ab, wie sich die Marktlage entwickelt.“ Für die Verwahrentgelte galten bislang meist Untergrenzen oder Freibeträge von 500 000 bis 100 000 Euro Anlagevolumen, die zuletzt bereits deutlich gesenkt worden seien, so Schick. Für die flächendeckende Einführung von Strafzinsen bei bestehenden Verträgen gibt es allerdings rechtliche Hürden. So hat das Landgericht Tübingen bereits im Januar 2018 entschieden, dass bei bestehenden Geldanlageverträgen das Verwahrentgelt nicht nachträglich per Klausel im Preisaushang eingeführt werden darf. Das Gericht hatte damit einer Klage der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg gegen die Volksbank Reutlingen stattgegeben. „Bei individueller Vereinbarung beziehungsweise neuen Verträgen sind Strafzinsen allerdings möglich“, erläutert Schick.
„Individuelle Vereinbarung“
Manche Häuser wie die Stadtsparkasse München oder die Volksbank Alzenau lassen Neukunden eine solche Regelung unterschreiben oder haben das Verwahrentgelt im Preisaushang mit dem Zusatz „individuelle Vereinbarung“ aufgenommen, erheben bislang aber noch keine Strafzinsen für Privatkunden. „Das Verwahrentgelt dient dann pro forma als Abschreckung für Neukunden, die hohe Einlagen parken wollen.“
Die Banken sichern sich mit solchen Vereinbarungen für Neukunden rechtlich ab. Negativzinsen werden aber auch indirekt über höhere Gebühren weitergegeben. Laut biallo.de hat in diesem Jahr bereits jedes dritte Geldhaus die Kontoführungsgebühren angehoben. Bei fast jeder zweiten Bank oder Sparkasse ist Geldabheben am eigenen Automaten oder im Verbund nicht mehr kostenlos. „Der Trend dürfte sich weiter fortsetzen“, so Schick.
Diskussion um Verbot von Strafzinsen
In der Oktober-Umfrage des Ökonomen-Barometers des Börse-Online-Schwesterblatts Euro am Sonntag haben sich unterdessen führende Volkswirte gegen ein Verbot von Strafzinsen ausgesprochen. Ein solches Verbot hatten etwa Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und der Bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ins Spiel gebracht.
80 Prozent der befragten Ökonomen halten den Ansatz für falsch, 17 Prozent für richtig. Die Teilnehmer der Umfrage lehnen eine solche Regulierung als „planwirtschaftlich“ (Jürgen B. Donges, Uni Köln), als „Eingriff in die Preisgestaltung“ und als „Populismus ohne Sachverstand“ (Wilfried Fuhrmann, Uni Potsdam) ab.
Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung Mannheim (ZEW) verweist zudem auf die negativen Renditen von Bundesanleihen. „Der Bund möchte etwas verbieten, was er bei Bundesanleihen im Umfang von Hunderten von Milliarden Euro Anlagevolumen selber betreibt. Dann müsste er negative Renditen auf Bundesanleihen auch ausschließen.“