Die Konjunktur trübt sich ein, Konzerne verdienen weniger. Volkswirte warnen vor staatlichen Konjunkturhilfen nach dem Gießkannen-Prinzip.
Von Wolfgang Ehrensberger (zum Artikel auf boerse-online.de)
In den vergangenen Tagen haben weitere Signale einer konjunkturellen Eintrübung die Aktienkurse in Schach gehalten. Laut Statistischem Bundesamt schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland im zweiten Quartal um 0,1 Prozent, nachdem die deutsche Wirtschaft in den ersten drei Monaten 2019 noch um 0,4 Prozent gewachsen war.
Auch Rezessionssignale vom Markt für US-Staatsanleihen haben die globalen Aktienmärkte zur Wochenmitte belastet. Die Rendite zweijähriger Bonds lag dort erstmals seit 2007 wieder über der Rendite der zehnjährigen. Diese sogenannte inverse Zinskurve gab es bei diesen Laufzeiten zuletzt im Jahr 2007, als die globale Finanzkrise ihren Anfang nahm. Die Inversion galt in den vergangenen Jahrzehnten als relativ verlässliches Signal für eine US-Rezession.
Das Ökonomen-Barometer des BÖRSE-ONLINE-Schwesterblatts €uro am Sonntag wiederum sackte im August um 16 Prozent auf 43,7 Punkte und unterschritt damit den letzten Tiefststand von November 2014 (45,6 Punkte). Damit bewegt sich dieser Konjunktur-Indikator auf dem niedrigsten Stand seit der Finanzkrisenzeit 2009. Die Aussichten für die Wirtschaftsentwicklung in den nächsten zwölf Monaten sind im Juli sogar um 24 Prozent auf 34,9 Punkte eingebrochen.
Gewinneinbruch im DAX
Diese Eintrübung der Konjunktur schlägt sich bereits in den Zahlen der DAX-Konzerne nieder. Legte der kumulierte Umsatz der 30 Bluechip-Werte im zweiten Quartal noch um 4,5 Prozent auf 354 Milliarden Euro zu, brach der operative Gewinn nach einer Analyse der Beratungsfirma EY um 30 Prozent auf 25,4 Milliarden Euro ein – so wenig verdienten die DAX-Konzerne zuletzt 2011. Zu den größten Verlierern zählen Daimler und Deutsche Bank, allerdings wegen Sondereffekten (Rechtsrisiken und Restrukturierung), daneben Covestro, BASF und Henkel.
Zwar konnten sich einige Unternehmen trotz schwacher Konjunktur mit starken Zahlen gegen den Trend stellen und sogar ihre Profitabilität steigern. Gerade die Industriekonzerne spüren aber eine zunehmende Eintrübung. „Der Auftragseingang sinkt, der Preiskampf wird härter, die Gewinne schrumpfen“, bringt es EY-Experte Hubert Barth auf den Punkt.
Handelskonflikte und Brexit- Ängste setzen der exportorientierten deutschen Industrie zu. Unternehmensverbände fordern angesichts der Konjunkturschwäche verstärkte staatliche Impulse etwa in Form von Investitionen in Infrastruktur.
Fokussierte Investitionen
Die im Ökonomen-Barometer befragten Volkswirte sind in dieser Frage gespalten. 44 Prozent der Teilnehmer der August-Umfrage lehnen staatliche Konjunkturhilfen auch im jetzigen Umfeld kategorisch ab, insgesamt 54 Prozent befürworten solche Hilfen. Nur fünf Prozent plädieren dabei allerdings für ein allgemeines Ausgabenprogramm nach dem Gießkannenprinzip. 46 Prozent sprechen sich für fokussierte Infrastrukturinvestitionen aus, weitere drei Prozent für temporäre Steuersenkungen.
Fiskalpolitisch sei gegen die globale Konjunkturabschwächung wenig auszurichten, gibt Juergen B. Donges von der Uni Köln zu bedenken. „Aber es hilft der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie, wenn die Bundesregierung endlich die gravierenden Defizite etwa in der Digitalisierung oder der Verkehrsinfrastruktur abstellt. Dazu muss man auch nicht gleich die Schuldenbremse aufheben.“
Ausgabe 32/2019
Rezession im Anmarsch
Wirtschaftsindikatoren malen ein düsteres Bild von Deutschland. Welche Branchen schlecht dastehen, welche Unternehmen weiterhin glänzen werdenZur aktuellen Ausgabe