Nach Einschätzung führender Volkswirte hat sich die wirtschaftliche Lage in Deutschland im November weiter verbessert. Mit einem Zuwachs von zwei Prozent auf 63,6 Punkte steigt das Ökonomen-Barometer kurz vor Jahresende auf den höchsten Stand seit Mai 2015. Auch die Prognose für die wirtschaftliche Entwicklung in den kommenden zwölf Monaten liegt mit 62,1 Punkten leicht über dem Vormonatswert von 61,8 Punkten. Die größte Volkswirtschaft Europas befindet sich nach Ansicht der Ökonomen damit weiter auf einem stabilen Wachstumspfad weit oberhalb der 50-Punkte-Marke.
von Wolfgang Ehrensberger, Euro am Sonntag (Artikel auf finanzen.net)
Die Wahl Donald Trumps zum neuen US-Präsidenten hat unter den befragten Volkswirten vor allem eines bewirkt: Eine bislang in der Ökonomen-Barometer-Umfrage selten zutage getretene Ungewissheit und Ratlosigkeit. „Man weiß fast nichts über seine wahren Ziele“, bringt beispielsweise Martin Kocher von der LMU München die verbreitete Stimmung unter den Ökonomen auf den Punkt. „Aber allein die Tatsache, dass es kein zusammenhängendes wirtschafts- und finanzpolitisches Programm einer neuen US-Administration gibt, ist eine Katastrophe.“
Andere Ökonomen wie Michael Stahl (Arbeitgeberverband Gesamtmetall) empfehlen, erst einmal abzuwarten. Dabei rechnen sie wie David Stadelmann (Uni Bayreuth) meist damit, dass der neue US-Präsident in seinen Extrempositionen noch eingebremst wird. „Vieles hängt davon ab, wen Trump jetzt als Berater aussucht“, glaubt Xenia Matschke von der Uni Trier. Trend zur Deglobalisierung Nicht erst mit der Trump-Wahl werden jedoch die Abschottungstendenzen in einzelnen Volkswirtschaften wie den USA und Großbritannien (Brexit) oder die schwierige Umsetzung von Freihandelsabkommen wie Ceta oder TTIP zunehmend als Gefahr für den Welthandel gesehen. So registrieren fast drei Viertel der befragten Ökonomen einen eindeutigen (13 Prozent) oder tendenziellen (60 Prozent) Trend zu einem Zurückdrehen der Globalisierung, Deglobalisierung genannt.
Deren mittelfristige Folgen für das globale Wirtschaftswachstum (auf Sicht von drei Jahren) werden als durchaus gravierend eingestuft: So rechnen 56 Prozent der Befragten bei Verfestigung dieses Trends mit globalen Wachstumseinbußen bis zu einem Prozentpunkt, 19 Prozent sogar bis minus zwei Prozentpunkte. Bei einer globalen Wachstumsrate von drei Prozent wäre dies ein erheblicher Anteil.
Erfolgsprojekte gefährdet
Juergen B. Donges von der Uni Köln warnt bei zunehmendem Handelsprotektionismus vor unweigerlichen Fehlallokationen auf den Märkten und damit vor Effizienzverlusten, die das Wirtschaftswachstum abschwächen würden. Dabei verweist er auf negative Erfahrungen etwa in den 30er-Jahren in den Industrieländern oder in den darauffolgenden Jahrzehnten in Entwicklungsländern.
Die Ökonomen gingen auch auf die stockende Ratifizierung von Freihandelsabkommen ein. „TTIP ist mit der Wahl Donald Trumps tot“, sagt Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim. „Aber auch existierende und ökonomisch erfolgreiche Projekte wie die nordamerikanische Freihandelszone Nafta sind nun akut gefährdet. Dies könnte Mexiko und damit auch Lateinamerika weiter destabilisieren.“
Volker Nitsch (TU Darmstadt) beobachtet einen bereits seit 2012 schwächer laufenden Welthandel. „Ein Faktor dürfte sein, dass sich auch das Tempo bei der Schaffung globaler Wertschöpfungsketten erheblich verlangsamt hat.“
Ulrich Blum von der Uni Halle-Wittenberg hat die Folgen bereits in seiner allgemeinen Lagebewertung berücksichtigt. „Die Tendenzen der Deglobalisierung werden bei der aktuellen Lage zunehmend wirksam.“ Zur Minderheit derjenigen, die keinen Deglobalisierungstrend erkennen, zählen Vincenz Timmermann (Uni Hamburg) und Martin Leschke (Uni Bayreuth). „Der Effekt auf das globale Wachstum wird gering sein, weil auch die Rückschritte bei der Globalisierung gering ausfallen“, sagt beispielsweise Leschke.
Die konkreten Aussagen der Volkswirte finden Sie hier! (PDF)