Deutschlands führende Volkswirte bleiben für die Konjunktur weiter optimistisch – fordern jedoch die Abschaffung des Solidatitätsbeitrages. Das geht aus dem aktuellen Ökonomen-Barometer von €uro am Sonntag und dem Nachrichtensender n-tv hervor. Danach stieg der Prognosewert des Barometers, der die erwartete wirtschaftliche Entwicklung auf Sicht von zwölf Monaten widerspiegelt, um sechs Prozent auf 55 Punkte. Die Einschätzung der aktuellen Lage legte im August um knapp sieben Prozent auf 53 Punkte zu.
von Thomas Schmidtutz, Euro am Sonntag (Link)
Guten Daten spiegeln das robuste Umfeld wider. Alleine im Juni haben die deutschen Unternehmen die Produktion um 2,4 Prozent gesteigert. Volkswirte hatten lediglich mit einem Plus von 0,3 Prozent gerechnet. Insgesamt war die deutsche Wirtschaft im zweiten Quartal mit 0,7 Prozent unerwartet kräftig gewachsen.
Mit der robusten Konjunktur ihrer größten Volkswirtschaft sowie des kräftigen Wachstums in Frankreich hat auch die Euro-Zone die Rezession im zweiten Quartal hinter sich gelassen. Zudem zeigt der kurzfristige Trend in anderen wichtigen Volkswirtschaften wie China nach oben. Unterdessen haben die Volkswirte erneut harte Kritik am Solidaritätszuschlag geübt. Der Soli war 1991 eingeführt worden und mit den Kosten der Deutschen Einheit sowie den Belastungen aus dem Golfkrieg begründet worden. Er soll angeblich 2019 auslaufen.
Immerhin 88 Prozent aller befragten Ökonomen halten die einstige Begründung für den Soli nicht mehr für stichhaltig. Gleichzeitig plädierten drei Viertel der Experten für eine schrittweise Abschaffung des Sonderzuschlags. Damit schloss sich eine klare Mehrheit Forderung des FDP-Spitzenkandidaten Rainer Brüderle an. Der Fraktionsvorsitzende der Liberalen im Bundestag hatte sich Mitte Juli für eine schrittweise Abschaffung des Soli bis 2019 ausgesprochen und damit die Diskussion erneut in Gang gebracht. Bundeskanzlerin Angela Merkel wies den Vorstoß umgehend zurück. Der Soli werde zur Finanzierung dringend anstehender Aufgaben wie der Sanierung des Straßennetzes benötigt, sagte sie.
Volkswirte verweisen demgegenüber auf die ursprüngliche Begründung für die Abgabe: Der Soli sei „eine Sondersteuer, deren Einführungsgrund entfallen ist“, sagte etwa Prof. André Schmidt von der Uni Witten-Herdecke. Ähnlich äußerte sich auch Prof. Christian Dreger (Uni Frankfurt/Oder): Gut 20 Jahre nach der deutschen Einheit habe sich „die Infrastruktur in den neuen Bundesländern wesentlich verbessert, während in den alten Bundesländern immer stärker Lücken sichtbar werden.“ Bei einer Fortführung des Soli bestünde zudem die Gefahr von „Gewöhnungseffekten“, was die spätere Abschaffung erschwere.
Nüchterner Ausblick
Zur Zukunft des Soli gibt sich die Mehrheit der Volkswirte indes keinen Illusionen hin. So erwarten 60 Prozent beim Soli eine ähnliche Entwicklung wie bei der Schaumweinsteuer. Sie war 1902 zur Finanzierung der Kriegsmarine unter Kaiser Wilhelm II eingeführt worden und wird mit kurzen Unterbrechungen bis heute erhoben. „Ich wette schon heute darauf, dass es den Soli länger geben wird als es die DDR überhaupt gegeben hat“, sagte etwa Prof. Justus Haucap (Uni Düsseldorf).
Zur Begründung für ihre Skepsis verwiesen viele Experten auf das schiere Steueraufkommen. Pro Jahr flössen dem Bundeshaushalt aus dem Soli 13 Milliarden Euro zu, erinnerte Frank Hübner, Direktor Volkswirtschaft von Sal. Oppenheim. Zudem steht der Sonderzuschlag ausschließlich dem Bund zu. Entsprechend stark sind die Beharrungskräfte in Berlin.
Die Kommentare der Volkswirte finden Sie hier (PDF)
Für das Ökonomen-Barometer wurden zwischen 7. und 14. August rund 600 Volkswirte in Banken, Forschungseinrichtungen und Wirtschaftsverbänden befragt.