Im Oktober sackt das Ökonomen-Barometer von €uro am
Sonntag ab. Und: IWF zeichnet ein düsteres Bild für die Weltwirtschaft.
Aber die Notenbanken könnten für Lichtblick sorgen.
Von Wolfgang Ehrensberger
Die Perspektiven für die Weltkonjunktur und die deutsche Wirtschaft haben sich weiter eingetrübt. Inflation, schwaches Wachstum und zunehmende Stabilitätsrisiken machen sich stärker bemerkbar. So hat der Internationale Währungsfonds (IWF) gerade seine globale Wachstumsprognose für kommendes Jahr von 3,0 auf 2,9 (2023: 3,0) Prozent gesenkt. „Die
Weltwirtschaft sprintet nicht, sie humpelt“, brachte IWF-Chefvolkswirt Pierre-Olivier Gourinchas die Lage auf den Punkt. Dabei sind mögliche Effekte einer Nahost-Eskalation noch gar nicht einbezogen.
Vor allem in China und in Europa hätten sich demnach die Aussichten verschlechtert. Lediglich für die USA hellten sich die Perspektiven auf. Deutschland wird dagegen zunehmend zum internationalen Problemfall: Es ist die einzige große Volkswirtschaft, in der die Ökonomie in diesem Jahr laut IWF-Prognose schrumpfen soll – mit minus 0,5 Prozent. Erst im kommenden Jahr rechnet der IWF wieder mit einem Plus von 0,9 Prozent. Auch die Bundesregierung senkte am Mittwoch ihre Konjunkturprognose und erwartet für dieses Jahr einen Rückgang der Wirtschaftsleistung von 0,4 Prozent, bevor es 2024 mit 1,3 und 2025 mit 1,5 Prozent aufwärtsgehen soll.
Barometer im Sinkflug
Diese Tendenz zeigt sich auch in der Oktober-Ausgabe des Ökonomen-Barometers von €uro am Sonntag, einer exklusiven monatlichen Umfrage unter führenden deutschen Volkswirten zu Wirtschaftslage und Ausblick in Deutschland. Das Barometer hatte sich im September kurzfristig stabilisiert, setzt aber nun seine im Frühjahr begonnene Talfahrt fort. So ging der Wert für die Lageeinschätzung in Deutschland um 9,8 Prozent auf 27,8 Punkte zurück, der Prognosewert für die Entwicklung in den kommenden zwölf Monaten reduzierte sich um 8,3 Prozent auf 23,4 Punkte.
Donner&Reuschel-Chefvolkswirt Carsten Mumm machte neben gestiegenen Energie- und Rohölpreisen vor allem „anhaltend falkenhafte Notenbanken“ für die weiter eingetrübte Stimmung verantwortlich. Dabei leide Deutschland unter
einer zyklischen Nachfrageschwäche, die aktuell die Rezession bedinge. „Allerdings gibt es auch strukturelle Schwächen, die das Wachstumspotenzial dauerhaft absenken“, warnt Mumm. Eine Mehrheit von 68 Prozent der Teilnehmer sieht gerade diese strukturellen Probleme (wie Transformation, Energieversorgung und -preise sowie Demografie) als maßgebliche Treiber der Rezession in Deutschland. „Es ist sicherlich eine Kombination, die strukturellen Faktoren können nicht weggeredet werden“, kommentierte Michael Frenkel von der Otto Beisheim School of Management in Düsseldorf. „Insbesondere im Automobilbereich mit Auswirkungen auf die Zulieferer könnten diese strukturellen Faktoren bedeutender werden.“
Kampf gegen Inflation
Die schwächere Konjunktur wirkt sich allerdings auch inflationsdämpfend aus und unterstützt die Notenbanken in ihrem Kampf gegen die Inflation, die in den vergangenen Monaten diesseits und jenseits des Atlantiks bereits deutlich am Abklingen war.
So rechnen die meisten Teilnehmer der Barometerumfrage zumindest mit einer Zinspause oder sogar einem Ende des Zinsanhebungskurses. Die nächste Fed-Zinssitzung findet am 1. November statt, die nächste Sitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) bereits am 26. Oktober. Zwei Drittel der im Ökonomen-Barometer befragten Volkswirte (62,5 Prozent) sind demnach der Ansicht, dass die EZB nach zehn Leitzinsanhebungen in Folge angesichts der deutlich rückläufigen Inflationsrate auf weitere Zinsanhebungen verzichten sollte.
Dabei sollte sie die Gefahren im Auge behalten. „Ein höherer Ölpreis sowie die angelaufene Lohn-Preis-Spirale stellen erhebliche Risiken für eine mittelfristig erhöhte Inflationsrate dar“, warnt beispielsweise Lars Krömer, Chefvolkswirt beim Arbeitgeberverband Gesamtmetall. Der Chefökonom des Privatbankenverbands BdB, Volker Hofmann, rät der EZB deshalb, an ihrem datenorientierten Kurs festzuhalten. „Konkret heißt das: Zinspause im Oktober und im Dezember, dann auf die Daten schauen“, sagt Hofmann.
Sowohl vonseiten der EZB als auch vonseiten der US-Notenbank Fed gab es in den vergangenen Tagen allerdings widersprüchliche Signale zum Zinskurs. Zu Wochenbeginn schien es, als gehe die Fed nach ihrem „Höher für länger“-Statement auf Entspannungskurs in ihrer Zinspolitik, was den DAX am Dienstag um zwei Prozent nach oben katapultierte, bevor am Mittwoch erneut „Zinsängste“ die Runde machten, nachdem Fed-Direktorin Michelle Bowman bei den Leitzinsen noch Handlungsbedarf nach oben sah.
Die Erwartungen der Märkte sind aber klar: Dem Fedwatch-Tool der US-Derivatebörse CME zufolge, einem zuverlässigen Stimmungsindikator, rechnen mittlerweile 91 Prozent der Marktteilnehmer damit, dass die Fed auf ihrer nächsten Sitzung die Zinsen konstant hält. Lediglich neun Prozent gehen von einer Zinsanhebung aus. Noch vor Kurzem war das Verhältnis bei 50:50.