Führende deutsche Ökonomen erwarten 2019 eine weitere Eintrübung des Wirtschaftsklimas. Auch hat sich das erste „Schrumpfquartal“ der deutschen Wirtschaft in diesem Herbst seit drei Jahren in den Barometer-Umfragen zuletzt immer deutlicher abgezeichnet.
von Wolfgang Ehrensberger, €uro am Sonntag (Artikel auf finanzen.net)
So hat das Ökonomen-Barometer von €uro am Sonntag und dem Nachrichtensender n-tv auch im November seinen Abwärtstrend fortgesetzt und ist um 2,6 Prozent auf 63,9 Punkte gesunken. Regelrecht abgestürzt sind die Erwartungen für die kommenden zwölf Monate, die um fast 13 Prozent auf 53,4 Punkte zurückgingen.
Die Prognose war bereits in den vergangenen Monaten stark in Richtung der Null-Wachstums-Linie zurückgegangen, was sich mit den soeben veröffentlichten Zahlen zum deutschen Bruttoinlandsprodukt deckt: Von Juli bis September 2018 ist die Wirtschaftsleistung erstmals seit Anfang 2015 wieder gesunken. Mit 0,2 Prozent lag das Minus außerdem deutlich höher als erwartet. Als Hauptgrund gelten die Probleme der Autoindustrie, insbesondere der Zulassungsstau infolge der Umstellung auf den neuen Abgasprüfzyklus.
Noch keine Rezession
Führende Ökonomen rechnen aber nicht damit, dass die deutsche Wirtschaft bereits dabei ist, in eine Rezession zu gleiten. Formal müssten dafür zwei Negativ-Quartale aufeinanderfolgen. Bauboom, hohe Beschäftigung und damit Konsumnachfrage sowie Staatsausgaben sorgen weiter für Auftrieb. Allerdings wird damit gerechnet, dass Wachstumsraten wie in den ersten beiden Quartalen mit plus 0,4 und 0,5 Prozent angesichts der schwächelnden Weltkonjunktur vorerst kaum noch erreicht werden.
Der Sachverständigenrat hat wegen des schwachen Sommerquartals bereits seine Prognose für das Wachstum im zu Ende gehenden Jahr auf 1,6 Prozent gesenkt. 2019 soll es sogar nur zu 1,5 Prozent reichen. Das Expertengremium ist damit pessimistischer als die Bundesregierung, die für beide Jahre bislang noch 1,8 Prozent voraussagt. „Das Schlussquartal müsste mit 1,3 Prozent schon recht kräftig ausfallen, damit die 1,8 gehalten werden kann“, sagte der Konjunkturchef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Claus Michelsen.
„Klare Verhältnisse“
Die Teilnehmer der November-Umfrage des Ökonomen-Barometers befassten
sich außerdem mit dem angekündigten Rückzug von Kanzlerin Angela Merkel
als CDU-Vorsitzende. Jeweils knapp zwei Drittel der Befragten stimmten
der Aussage zu, dass durch den Rückzug eine Aufbruchstimmung in Berlin
entstehen könnte. Außerdem hätten ihre Nachfolger die Chance, sich
wirtschaftspolitisch zu profilieren. Auch den Markenkern der CDU könne
die Partei zurückerlangen, meinen 59 Prozent. Allerdings ist immerhin
die Hälfte der Befragten davon überzeugt, dass Merkels Position in
Europa nunmehr geschwächt sei.
Gespalten sind die Ökonomen deshalb in der Frage, ob Angela Merkel nach
dem Rücktritt als CDU-Chefin auch die Regierungsgeschäfte abgeben
sollte. 47 Prozent der Befragten sind dieser Auffassung. Immerhin 41
Prozent meinen dagegen, dass sie bis zum Jahr 2021 Bundeskanzlerin
bleiben sollte.
„Je schneller klare Verhältnisse an der Regierungsspitze herrschen, umso
besser fasst die Wirtschaft neues Zukunftsvertrauen, und umso besser
können gemeinsam mit Frankreich Führungsaufgaben in der europäischen
Integration erledigt werden“, begründet Juergen B. Donges von der Uni
Köln seine Forderung nach einem Wechsel auch im Kanzleramt.
Aufschlussreiche Antworten lieferte die Frage, wer
Angela Merkel als CDU-Chefin nachfolgen sollte. Die Präferenz der
Ökonomen ist mehrheitlich aufseiten des früheren
CDU-Bundestags-Fraktionschefs Friedrich Merz als künftigem CDU-Chef.
Mehr als die Hälfte der Befragten (54 Prozent) halten ihn für den
geeigneteren Kandidaten. Ihm wird insbesondere zugetraut, „das
wirtschaftspolitische Profil der Partei wählerwirksam zu schärfen“
(Horst Schellhaaß, Uni Köln).
Immerhin 16 Prozent votieren für Generalsekretärin Annegret
Kramp-Karrenbauer. Gesundheitsminister Jens Spahn bekommt mit zwei
Prozent nur minimalen Zuspruch. Einen anderen Kandidaten wünschen sich
neun Prozent. 19 Prozent machten keine Angabe.