Die deutschen Volkswirte werden immer pessimistischer. Das Ökonomen-Barometer von €uro am Sonntag und dem Nachrichtensender n-tv ist im Oktober erneut gesunken. Die Bewertung der aktuellen Lage fiel um 3,3 Prozent auf 65,6 Punkte und war so düster wie zuletzt im Februar 2017.
von Sonja Funke, €uro am Sonntag (zum Artikel auf finanzen.net)
Drastisch zurückgegangen ist binnen eines Monats auch die Erwartung der Befragten: Die Prognose für die Entwicklung in den kommenden zwölf Monaten sackte um 7,3 Prozent auf 61,3 Punkte. „Die Konjunktur verliert an Fahrt“, sagt Jürgen Donges von der Universität Köln.
Handelskonflikt belastet
Die führenden Institute gehen in ihrem Herbstgutachten für die Bundesregierung davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt von Juli bis September nur noch um 0,1 Prozent gewachsen ist, nach 0,5 Prozent im vorangegangenen Quartal. Das Statistische Bundesamt veröffentlicht dazu im November eine erste Schätzung.
Aus der deutschen Wirtschaft wurde zuletzt immer stärkere Kritik an der Bundesregierung laut. Auch die von €uro am Sonntag und n-tv befragten Experten sehen hier zum Teil große Defizite: Berlin fehle ein wirtschaftspolitischer Plan, monieren die befragten Ökonomen und zweifeln, ob die aktuelle Bundesregierung ihren Aufgaben gewachsen ist. „Seit Jahren leidet die deutsche Volkswirtschaft unter einer Bundesregierung, der es absolut an Gestaltungskraft fehlt“, sagt Klaus M. Schmidt von der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Die deutliche Mehrheit der Befragten (62 Prozent) vertritt sogar die Ansicht, dass die Koalition gar nicht in der Lage ist, wichtige Zukunftsaufgaben wie Digitalisierung und Elektromobilität, Bekämpfung des Fachkräftemangels und steuerliche Entlastungen adäquat anzupacken. Nur 30 Prozent der Befragten trauen ihr dies zu, der Rest machte keine Angabe.
Kritik an Bundesregierung
„Das wirtschaftspolitische Versagen der Koalition hat die erträgliche kritische Masse überschritten“, erklärt Wilfried Fuhrmann von der Universität Potsdam. Die Wählerflucht aus SPD und CDU führe zu Zersplitterung und Instabilität.
Tatsächlich halten 53 Prozent der befragten Ökonomen die politische Stabilität der Bundesregierung für „teilweise gefährdet“, sechs Prozent sogar für „stark gefährdet“. „Die Bundesregierung sollte sich einfach endlich zusammenreißen, ihre Streitigkeiten einstellen und ihre Aufgaben erledigen“, meint Fred Wagner von der Uni Leipzig.
Doch nicht alle Befragten beteiligen sich an der Regierungsschelte: „Frau Merkel war in ihrer Amtszeit vor allem als Außenpolitikerin und Brandbekämpfer gefragt“, stellt VP-Bank-Chefökonom Thomas Gitzel fest. Die zahlreichen Krisen insbesondere in der Eurozone hätten dies erfordert. „Frau Merkel hat hierbei einen guten Job gemacht.“ Allerdings sei die Innenpolitik auf der Strecke geblieben. Gitzel rät: „Die Bundesregierung sollte sich Leuchtturmprojekte suchen, die dann aber auch konsequent umgesetzt werden. Glasfaserausbau und Energiewende fallen mir hierzu spontan ein.“