Führende deutsche Ökonomen bewerten die Verfassung der deutschen Wirtschaft auch im August als äußerst robust -selbst wenn sich im Ausblick inzwischen eine etwas vorsichtigere Tendenz abzeichnet. Das ist das Ergebnis der Juli-Umfrage des Ökonomen-Barometers von €uro am Sonntag und dem Nachrichtensender n-tv. Zur Vorsicht mag auch der deutlich erstarkte Euro beigetragen haben. Ein aufgewerteter Euro verteuert deutsche Exportgüter auf den Weltmärkten. Die Gemeinschaftswährung kostete am Freitag mit 1,167 Dollar so viel wie zuletzt vor zwei Jahren.
von W. Ehrensberger, Euro am Sonntag (zum Artikel auf finanzen.net)
Die Prognose für die wirtschaftliche Entwicklung in den nächsten zwölf Monaten liegt mit 75,2 Punkten rund drei Prozent unter dem Vormonatsniveau. Der Wert signalisiert aber noch immer eine weitere Verbesserung der wirtschaftlichen Lage im Vergleich zu heute. Das Ökonomen-Barometer, also die Einschätzung der aktuellen Lage, stieg im Juli um 1,2 Prozent auf nunmehr 71,3 Punkte. Das ist nicht nur ein neuer Spitzenwert für das Jahr 2017. Das Barometer nähert sich damit auch weiter an die bisherigen Topwerte dieser Erhebung aus dem Jahr 2011 an.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamts lag das deutsche Wirtschaftswachstum im ersten Quartal 2017 bei 0,6 Prozent. Im zweiten Quartal soll es nach Einschätzung von Experten in ähnlichem Tempo weitergegangen sein. Die Daten dazu werden aber erst im August erwartet. Bau- und Konsumboom sowie florierende Exporte schieben Europas größte Volkswirtschaft derzeit an.
Kontroverse um Fiskalunion
In der Juli-Umfrage beschäftigten sich die Volkswirte mit Reformvorschlägen zur Zukunft der EU. Deutschland und Frankreich wollen bis Herbst einen Plan dazu vorlegen. Aus Paris und Berlin, aber auch vom deutschen Industrieverband BDI kamen Vorschläge, die Eurozone stärker zu einer Fiskalunion zusammenzuschweißen.
Mehr als die Hälfte der befragten Ökonomen hält das aber eher für einen Irrweg. 52 Prozent sind grundsätzlich gegen eine weitere Fiskalvergemeinschaftung auf europäischer Ebene. Lediglich mit einem europäischen Währungsfonds, der Krisenstaaten zu Hilfe eilt, könnten sich noch 39 Prozent der Befragten anfreunden. 27 Prozent halten einen Eurofinanzminister für sinnvoll, nicht mal ein Viertel einen gemeinsamen Eurozonenhaushalt, Gemeinschaftssteuern oder eine gemeinsame Wirtschaftsregierung.
„Mehr Solidarität in einer Fiskalunion sollte es nur im Tausch mit klaren Regeln für staatliche Insolvenzen geben“, fordert ZEW-Forscher Friedrich Heinemann. „Eine Staatspleite in der Eurozone darf nicht durch europäische Transfers verschleppt und sozialisiert werden.“ Anachronistisch seien zudem weite Teile der gemeinsamen Agrar- und Regionalpolitik, so Heinemann. Stattdessen sollte man stärker Bereiche wie Verteidigung, Migration und Entwicklung gemeinsam angehen.
Ähnlich argumentieren Ulrich van Suntum (Uni Münster), Michael Stahl (Arbeitgeberverband Gesamtmetall) oder Klaus-Dirk Henke (TU Berlin). Vier von fünf befragten Volkswirten sprechen sich demnach für eine Stärkung des Subsidiaritätsprinzips aus, also nicht grundsätzlich stärker zu zentralisieren oder zu dezentralisieren, sondern Aufgaben der Ebene zuzuordnen, die am ehesten dafür geeignet ist.
Entscheider müssen haften
Volker Hofmann vom Bundesverband deutscher Banken verweist wie ZEW-Experte Heinemann auf das Grundproblem: Bei allen Reformen müssten Entscheidungskompetenz einerseits sowie Haftung und Verantwortung andererseits auf gleicher Ebene angesiedelt werden. „Eine stärkere Integration muss also auch mit einer gewissen Einschränkung nationaler Souveränität einhergehen.“
Die EU-Kommission und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatten vor Kurzem einen eigenen Finanzminister, ein Eurozonenparlament und ein eigenes Eurobudget vorgeschlagen. BDI-Chef Dieter Kempf unterstützte diese Überlegungen. „Dazu können auch ein eigener Eurozonenhaushalt, ein Eurofinanzminister und ein Europäischer Währungsfonds zählen, wenn diese Schritte richtig gestaltet werden.“