Das Ökonomen-Barometer von €uro am Sonntag und dem Nachrichtensender n-tv hat im August wieder Fahrt aufgenommen. Damit scheint der Brexit-Schock des Vormonats erst einmal verdaut. Die führenden Volkswirte schätzen sowohl die aktuelle Lage als auch den Ausblick auf die wirtschaftliche Entwicklung in den kommenden zwölf Monaten wieder besser ein. Das Barometer legt um über ein Prozent auf 63,2 Punkte zu und liegt damit wieder auf Vor-Brexit-Niveau. Auch die Prognose verbesserte sich. Beide Werte sind zudem von einer Rezession (unter 50 Punkte) weit entfernt.
von W. Ehrensberger, €uro am Sonntag (zum Artikel auf finanzen.net)
In der Juli-Umfrage hatte sich der Brexit-Effekt vor allem im Ausblick bemerkbar gemacht: Die Prognose war um 7,3 Prozent auf 61,3 Punkte zurückgegangen. Im August erholte sie sich wieder um 3,7 Prozent auf aktuell 63,5 Punkte. Dieser Wert liegt über dem aktuellen Stand und zeigt damit positive Erwartungen an.
Fragile Banken
In der August-Umfrage beschäftigten sich die Ökonomen mit dem Zustand des deutschen Bankensystems, insbesondere der deutschen Großbanken. Der Brexit-Entscheid der Briten hatte der Sorge vor einer neuen Krise des europäischen Bankensystems neue Nahrung gegeben. Vor allem die ohnehin unter faulen Krediten leidenden italienischen Banken hätte ein Brexit-bedingter Konjunktureinbruch schwer getroffen. Der europaweite EU- Bankenstresstest im Juli hat dann insbesondere bei den deutschen Geldhäusern deutliche Kapitallücken zutage treten lassen. Die Institute erfüllten zwar noch die Anforderungen der Prüfer, landeten jedoch im Vergleich zu den 51 getesteten europäischen Banken weit hinten. Dies hatte die Diskussion um mögliche Kapitalmaßnahmen bei Deutscher Bank und Commerzbank angeheizt.
Die führenden Volkswirte halten das deutsche Bankensystem insgesamt zwar für stabil, wobei vor allem die Sparkassen und Volksbanken als sichere Horte gesehen werden. Ein Drittel der Befragten hält dagegen insbesondere die börsennotierten Institute für gefährdet.
Das Hauptproblem der deutschen Banken ist nach Einschätzung der Volkswirte vor allem in fehlerhaften Geschäftsmodellen zu sehen, aber auch in der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Mehr als die Hälfte der Befragten nennt zudem Managementfehler als Ursache. Den harten Wettbewerb, aber auch die strenge Regulierung sieht nur eine Minderheit der Befragten als Treiber für die Schieflage (vgl. Grafik).
Ruf nach Kapitalerhöhungen
Als Weg aus der Krise schlagen zwei Drittel der Befragten Kapitalerhöhungen bei den Geldhäusern vor, gefolgt von weiteren Kostensenkungsmaßnahmen (50 Prozent) und verbesserten Geschäftsmodellen (52 Prozent). Immerhin ein gutes Drittel spricht sich noch für eine staatlich verordnete Pflicht-Kapitalausstattung aus. Fusionen und Übernahmen sehen dagegen lediglich 20 Prozent der Befragten als möglichen Weg aus der Krise.
Ökonomen wie Harald Hagemann (Uni Hohenheim), Wolfgang Ströbele (Uni Münster) oder Wilfried Fuhrmann (Uni Potsdam) halten vor allem die Niedrigzinspolitik der EZB für gefährlich. Juergen B. Donges (Uni Köln) sieht dabei aber die Geldhäuser in der Pflicht: „Die Banken werden nicht umhinkommen, Geschäftsmodelle zu entwickeln, bei denen trotz anhaltender Niedrigzinspolitik der EZB eine angemessene Rendite zu erzielen ist“, so Donges.
Oliver Landmann (Uni Freiburg) wiederum sieht die Lösung in einer weiteren Konsolidierung und Schrumpfung der deutschen Bankenbranche. „Die aktuellen Schwierigkeiten signalisieren Redimensionierungsbedarf“, sagt Landmann. Unterstützung bekommt er darin von Günter Franke (Uni Konstanz): „Das Problem des ,overbanking‘ muss man angehen.“
Gegen eine verpflichtende staatliche Kapitalunterstützung von Banken spricht sich Jürgen von Hagen von der Uni Bonn aus. „Diese entzieht dem Kapitalismus seine Rechtfertigung. Wird sie eingeführt, werden alle Banken systemrelevant sein.“ Horst Löchel (Frankfurt School) sieht darin auch „die Einladung an Manager, Verluste nach Möglichkeit zu sozialisieren“.
Im Detail: Die Zitate der Volkswirte (PDF)